Luisa Pallares neue Forschungsgruppenleiterin am Friedrich-Miescher-Laboratorium Tübingen
Biologin untersucht die genetische Grundlage von komplexen Merkmalen und wie sich die Verknüpfungen zwischen den Genen und dem äußeren Erscheinungsbild eines Organismus unter Umwelteinflüssen verändern können.
Seit Februar 2022 ist Luisa Pallares Leiterin einer neuen Forschungsgruppe am Friedrich-Miescher-Laboratorium (FML) des Max-Planck-Instituts für Biologie Tübingen. Die Evolutionsbiologin möchte die genetischen Grundlagen komplexer Eigenschaften am Beispiel der Fruchtfliege Drosophila melanogaster verstehen. Sie erforscht wie sich Verknüpfungen zwischen dem genetischen Bauplan und dem äußeren Erscheinungsbild durch wechselnde Umwelteinflüsse verändern können. Insbesondere möchte sie dadurch verstehen, wie Populationen einerseits widerstandsfähig sein und sich andererseits dennoch verändern und anpassen können.
Warum sind manche Individuen widerstandsfähiger gegen Umweltbelastungen als andere? Gibt es einen speziellen Ort im Erbgut, der dafür verantwortlich ist? Oder tausende? Wie verändert sich im Verlauf der Evolution die Beziehung zwischen dem Genotyp (dem genetischen Bauplan eines Organismus) und seinem Phänotyp (seiner äußeren Erscheinung)? Und warum ist diese Verbindung viel dynamischer als bisher angenommen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Luisa Pallares, neue Forschungsgruppenleiterin am Friedrich-Miescher-Laboratorium.
"Früher dachte man, dass bestimmte Gene immer zum gleichen äußeren Erscheinungsbild eines Organismus führen – dass die Verknüpfung zwischen Genotyp und Phänotyp statisch ist", erklärt Pallares. In ihren jüngsten Forschungsarbeiten zeigte sie, dass diese Beziehung sehr dynamisch ist und zu weit reichenden Interaktionen zwischen Erbgut und der Umwelt führt: Genabschnitte, die zuvor als irrelevant galten, können unter neuen Umweltbedingungen eine wichtige Rolle spielen. "Das bedeutet, dass es viele kryptische genetische Variationen gibt, die sich im Erbgut ansammeln und eine wichtige Rolle in Anpassungsprozessen spielen könnten. Dies hat mich auf eine der ältesten Fragen der Evolutionsbiologie aufmerksam gemacht: Wie können wir die Entstehung von Merkmalen erklären, die zur besseren Robustheit und Evolvierbarkeit einer Population führen?" Unter Robustheit verstehen Evolutionsbiologen die Fähigkeit eines Organismus, Umwelt- oder genetischen Störungen zu trotzen und funktionsfähig zu bleiben. Evolvierbarkeit hingegen ist die Fähigkeit einer Population, sich als Reaktion auf solche Störungen zu verändern und an die neuen Bedingungen anzupassen.
Am FML in Tübingen möchte Pallares an hunderttausenden Individuen der Fruchtfliege diese Anpassung an Umwelteinflüsse im Verlauf von 100 Generationen erforschen, um herauszufinden, welche Teile des Erbguts in den verschiedenen Phasen des Anpassungsprozesses relevant werden. "Mit anderen Worten", erklärt Pallares weiter, "ich möchte die Veränderung der Genotyp-Phänotyp-Verbindung in Echtzeit erforschen."
Luisa Pallares ist gebürtige Kolumbianerin und entdeckte im Biologiestudium ihre Begeisterung für die Evolutionsbiologie. Diese brachte sie nach Plön in Norddeutschland, wo sie 2015 ihren Doktortitel erlangte. Im Anschluss forschte sie von 2016 bis 2021 als Postdoc an der Princeton University bereits an der Fruchtfliege.
„Nach meiner Zeit als Doktorandin am MPI für Evolutionsbiologie in Plön hat sich die Ankunft in Deutschland wieder sehr vertraut angefühlt“, berichtet Pallares. Neu ist für sie jedoch die Rolle als Leiterin einer Forschungsgruppe: "Ich freue mich sehr als Leiterin neben der eigentlichen Forschung auch junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Ergründung spannender evolutionsbiologischer Fragestellungen zu betreuen!"